Weitere Luftaufnahmen von Martigny
Zu den landschaftlich erstaunlichsten Punkten des Wallis gehört das Rhoneknie bei Martigny, wo das Haupttal des Rottens in rechtem Winkel scharf nach Nordwesten abbiegt und in südwestlicher Richtung ein enges, gewundenes Tal abzweigt, das zum Grossen St. Bernhard führt, zu einem der wichtigsten Alpenpässe im Mittelalter.
Martigny
Schon in frühgeschichtlicher Zeit dürfte bei Martigny eine befestigte Siedlung bestanden haben, und in der römischen Kaiserzeit hatte der Ort Octodurus, aus dem das nachmalige Martigny herauswachsen sollte, eine erhebliche Bedeutung. Als sich im römischen Reich das Christentum durchsetzte, wurde Octodurus zum Sitz eines Bischofs, der nach dem Zusammenbruch der römischen Herrschaft die regionalen Verwaltungsfunktionen ausübte, gestützt auf das Staatsgut im Raume von Octodurus. Im ausgehenden 6. Jahrhundert verlegten die Bischöfe von Octodurus ihren Sitz jedoch in das weiter talaufwärts gelegene Sitte, wo sie sowohl vor Überschwemmungen als auch vor Einfällen fremder Kriegerscharen besser geschützt waren.
An ihrem alten Besitz in Octodurus hielten sie jedoch fest und bauten diesen im Verlaufe des Hochmittelalters zu einem geschlossenen Herrschaftsbereich aus. Als Wahrzeichen der bischöflichen Herrschaft entstand zu unbekannter Zeit, aber spätestens um die Mitte des 12. Jahrhunderts, hinter Martigny-Bourg auf langgestrecktem Felssporn die Feste La Crête (Crest), auf der bischöfliche Beamte sassen und die Bevölkerungen der Umgebung bei Kriegsgefahr, insbesondere vor durchziehenden Kriegerscharen, Schutz fand. Diese Burg La Crête ist, wie unten gezeigt wird, im Verlaufe des 13. Jahrhunderts verlassen worden.
Ihre Aufgabe als Mittelpunkt der bischöflichen Herrschaft um Martigny übernahm die auf felsiger Bergschulter hoch über Martigny gelegene Feste La Bâtiaz. Von dieser Burg aus überblickt man das Rhonetal. Die markante Lage am Rhoneknie und die gewaltigen Mauermassen machen die Burg heute zu einer der schönsten Ruinen des Wallis. Eine unlängst durchgeführte Restaurierung dürfte den imposanten Mauerbestand auf lange Zeit hinaus vor weiterem Zerfall gerettet haben.
Die kompakt gebaute Burganlage war bergseits durch einen Graben vor feindlicher Annäherung geschützt. Der Zugang erfolgte über einen steilen Aufstieg, der zu einem festen Tor mit vorgelagertem Torgraben führte. Die Burgbauten wurden durch einen starken, unregelmässig verlaufenden Bering geschützt. An der Ostecke springt die Ringmauer bastionsartig in Halbkreis vor, wodurch die seitliche Bestreichung des südlichen Teil ermöglicht wurde. Innen lehnten sich an die Ringmauer verschiedene Gebäude an, so dass nur ein verhältnismässig enger, nicht überbauter Hof übrigblieb. Eine Zisterne in der Westpartie der Anlage stellte die Wasserversorgung der Burg sicher. Die Wohnräume lagen in den Bauten des Nordtraktes, wo zahlreiche Türen, Fenster und Treppen auf die einstige Bewohnbarkeit hinweisen. In die Wand eingelassene Kaminanlagen zeugen vorm Kampf der Burgbewohner gegen die Kälte des Winters. Das markanteste Bauwerk der Burg stellt der mächtige, alles überragende Rundturm dar. Er ist nachträglich von innen her an den Bering gestellt worden. Seine Mauerstärke beträgt an der Basis gegen vier Meter. Der ursprüngliche Hocheingang, erreichbar über eine hölzerne Aussentreppe, liegt zehn Meter über dem äusseren Gehniveau. Die inneren Verbindungen zwischen den einzelnen Stockwerken werden durch gewölbte Treppengänge hergestellt. In den oberen Partien waren einzelne Räume bewohnbar, wie durch Aborte, Lüftungszüge und einen Wasserbehälter belegt wird. Von grossem bautechnischem Interesse sind die im Aussenmantel des Turmes angebrachten, spiralförmig in die Höhe führenden Gerüsthebellöcher. Sie zeigen, dass die Errichtung des Turmes über ein steigendes Schneckengerüst, das als umlaufende Rampe diente, erfolgt sein muss. Das plattige, eher unregelmässig geschichtete Steinmaterial des Mauerwerks ist von schlechter Qualität und wäre ohne schützende Verputzschicht bald verwittert. Wir haben deshalb anzunehmen, dass die Mauern der Burg nicht nur innen im Bereich der Wohnräume, sondern auch auf der Aussenseite vollständig verputzt waren. Spuren des Originalverputzes haben sich an verschiedenen Stellen erhalten. Leider ist über die ursprünglichen Dachformen der Burg nichts bekannt.
Als zu Beginn des 13. Jahrhunderts die Grafen von Savoyen ihren machtpolitischen Vorstoss ins Wallis unternahmen, bildete die bischöfliche Herrschaft Martigny für sie einen bequemen Riegel, zumal sie auch die Route über den Grossen St. Bernhard blockierte, welche die savoyischen Gebiete am Genfersee mit dem Hausgut im Aostatal verband. Zur besseren Verteidigung ihres Besitzes um Martigny errichteten die Bischöfe wohl um die Mitte des 13. Jahrhunderts die Feste La Bâtiaz. Als es kurz darauf zum Krieg zwischen dem Bischof und Savoyen kam, bemächtigte sich Graf Peter II beider Burgen von Martigny und vermochte seine auf das recht des Siegers abgestützten Ansprüche im provisorischen Friedensvertrag von 1260 zu behaupten, allerdings nur für kurze Zeit, denn die Burgen gelangten bloss als Pfand in seine Hand. Immerhin ist in den Jahren 1260 und 1268, in denen sich Martigny in savoyischem Pfandbesitz befand, von Peter II der beherrschende Rundturm errichtet worden. Nach Peters Tod fiel Martigny an den Bischof von Sitten zurück, der nun die Feste La Bâtiaz mit grossem Aufwand erneuern und verstärken liess. Spätestens damals dürfte die ältere Burganlage von Martigny, La Crête, verlassen worden sein. Zum besseren Schutz der Bevölkerung wurde um jene Zeit der befestigte Marktflecken Martigny-Bourg angelegt. Mit dem Bau dieses Städtchens erlangten die Bischöfe von Sitten auch eine bessere Kontrolle über den Passverkehr am grossen St. Bernhard.
Die bischöflichen Rechte im Raume Martigny wurden seit dem 12. Jahrhundert von einem Kastellan und einem Vitzum verwaltet. Anfänglich sassen diese wohl auf der Burg La Crête, seit der Mitte des 13. Jahrhunderts hatte der Kastellan jedoch seinen Amtssitz auf der Feste La Bâtiaz. Das Viztumamt befand sich seit dem späten 12. Jahrhundert in der Hand einer Familie ritterlichen Standes, die sich nach Martigny nannte und in Martigny-Bourg residierte.
Die Bischöfe von Sitten sollten sich ihres gegen Savoyen im 13. Jahrhundert mit viel Mut und Geschick verteidigten Besitzes zu Martigny nicht lange erfreuen. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts, als Savoyen den Bischof erneut militärisch in schwerste Bedrängnis brachte und ungehindert die Gegend von Sitten verwüstete, konnte der Bischof Martigny nicht länger behaupten, zumal auch seine dortigen Untertanen und Gefolgsleute von ihm abfielen und dem Grafen von Savoyen huldigten. Der Feste La Bâtiaz schient sich Savoyen gewaltsam bemächtigt zu haben. Obgleich es in der Folgezeit zu einem politischen Ausgleich zwischen dem Bischof und Savoyen kam, der dem geistlichen Herrn die Herrschaft im Oberwallis garantierte, war das Unterwallis mit Martigny für ihn verloren. Auf der Feste La Bâtiaz sassen nun savoyische Beamte, und zwar für längere Zeit. Grössere Bauarbeiten scheinen die Grafen und nachmaligen Herzöge von Savoyen auf der Burg allerdings nicht vorgenommen zu haben, so dass sie in den Burgunderkriegen um 1475/76 nicht in bestem Verteidigungszustand war. Savoyen stand damals auf der Seite Karls des Kühnen und versuchte, mailändische Hilfstruppen über die Walliser Alpenpässe auf den Westschweizer Kriegsschauplatz zu führen. Die Walliser Landsleute indessen, im Bunde mit den Eidgenossen, vereitelten diesen Versuch und drangen ins savoyische Unterwallis vor, wo sie das Land auf ähnliche Weise verwüsteten wie um die gleiche Zeit die Berner die Waadt.
Auch die Burg La Bâtiaz wurde damals von den Wallisern eingenommen und übel zugerichtet. Martigny leistete den Siegern den Huldigungseid. Dadurch geriet die Feste La Bâtiaz erneut unter die Herrschaft des Bischofs von Sitten, erlangte aber ihre einstige Bedeutung nicht wieder zurück, zumal sie sich seit den Burgunderkriegen in einem verwahrlosten Zustand befand. In den Wirren des frühen 16. Jahrhunderts, als das Wallis durch den Parteienkrieg zwischen Kardinal Schiner, dem Bischof von Sitten, und seinem Widersacher Georg Supersaxo für Jahre in der völligen Anarchie versank, wurde die Burg La Bâtiaz endgültig zerstört. Anhänger Supersaxos drangen in das notdürftige wiederhergestellte Gebäude ein und steckten es in Brand (1518). Seither ist die Burg Ruine.
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